Donnerstag, 22. März 2012

Efraim Zuroff: Der Rückfall


Unter diesem Titel schreibt Efraim Zuroff, der Leiter des Simon Wiesenthal Center in Los Angeles, anlässlich der Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten in der taz (17./18. März, S.3, Übersetzung Enrico Ippolito und Frauke Böger). Zuroff untersucht, was es bedeutet, dass Gauck zu den Unterzeichnern der so genannten Prager Erklärung vom 3. Juni 2008 gehört.

"Vordergründig scheint die Erklärung daran zu appellieren, die Verbrechen der Nationalsozialisten und die der Kommunisten als gleich schlimm anzuerkennen und die Opfer beider totalitärer Regime gleichzubehandeln. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die wahren Ziele dieser Kampagne weitas revolutionärer, heimtückischer und gefährlicher sind.
Denn dieser Vergleich ignoriert absichtlich die entscheidenden Unterschiede zwischen der Naziideologie, die darauf abzielte, bestimmte Menschen nur ihrer Herkunft wegen zu vernichten, und ihrem kommunistischen Gegenstück, dessen Opfer primär auf Grundlage ökonomischer und politischer Faktoren identifiziert wurden. Die behauptete Austauschbarkeit beider Phänomene übersieht den präzedenzlosen Charakter des Holocaust und erhöht die kommunistischen Verbrechen in ihrer tatsächlichen historischen Bedeutung (...)
Mit der Erhöhung kommunistischer Verbrechen zum Genozid – worauf die mehrfach verwendete Formulierung "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" abzielt – erhoffen sich die Unterzeichner der Prager Erklärung, den Blick vom Massenmord an den Juden auf das Leid der Osteuropäer während des Jochs des Kommunismus zu lenken, und wandeln dabei Täternationen zu Opfervölker um."


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